„LSBTTIQ Geflüchtete brauchen Sichtbarkeit, Gleichheit und Sicherheit“

Ein Fachtag in Stuttgart brachte Betroffene mit Haupt- und Ehrenamtlichen aus der Geflüchtetenarbeit zusammen

Viele geflüchtete Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und quere Personen (LSBTTIQ) haben in ihrem Herkunftsland und während ihrer Flucht Ausgrenzung, Gewalt und Verfolgung erlebt. Um den Fragen nachzugehen, wie diese Menschen gestärkt werden können und wie zu verhindern ist, dass sie auch hier in Deutschland unter Diskriminierung oder Gewalt zu leiden haben, fand am Freitag ein erster landesweiter Fachtag mit rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt, darunter Geflüchtete, sowie ehrenamtliche und Hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Geflüchtetenhilfe. Nach Stuttgart eingeladen hatte das „Netzwerk LSBTTIQ“, die Türkische Gemeinde in Deutschland (tgd), der Hospitalhof Stuttgart, sowie federführend die Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg e.V. (tgbw). Deren Landesvorsitzender, Gökay Sofuoglu, erklärte gleich zu Beginn das Engagement seines Verbandes für dieses Thema mit den Worten: „Wir stehen hier gemeinsam für die Sichtbarkeit, Gleichheit und Sicherheit der LSBTTIQ Geflüchteten – das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns als Migrantenorganisation bewusst stellen.“

In den Vorträgen und Workshops des Fachtages  kam deutlich zum Ausdruck, dass für viele Betroffenen auch nach der Ankunft in Deutschland die Flucht im Hinblick auf das Leben der eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung im neuen Land noch nicht zu Ende ist.

Alia Khannum, Sprecherin von „Quer Refugees for Pride“, machte in ihrem Vortrag deutlich, dass die Erklärung, schwul oder lesbisch zu sein, kein Asylrecht in Deutschland begründe und dass die aufgrund der geschlechtlichen Orientierung erlebte Gewalt oft auch nicht zu beweisen sei. Ein Mensch, der etwa in ihrem Herkunftsland Pakistan vergewaltigt werde, könne darüber keinen polizeilichen Nachweis erreichen. „Wie also soll jemand das nach der Flucht in Deutschland beweisen?“. Nach Erfahrung der Aktivistin würden sich sehr viele Geflüchtete auch nicht trauen, die erlebten Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen tatsächlich zu benennen: „Sie schämen sich häufig und reden dann von `Problemen in ihrem Land`“. Alia Khannum wünschte sich generell mehr Sichtbarkeit von LSBTTIQ Personen im deutschen Alltag und erklärte: „Wir sind alle Menschen. Wir sollten alle Menschenrechte haben – nicht Frauenrechte brauchen, Lesbenrechte usw.“

Von Seiten der hauptamtlichen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen wurde betont, dass die besondere Begleitung und intensive Unterstützung der LSBTTIQ Geflüchteten mit dem derzeitigen Betreuungsschlüssel von einem Hauptamtlichen für 120 Geflüchtete nicht zu schaffen sei.

Der vom Sozialministerium Baden-Württemberg geförderte Fachtag bot laut Mitorganisator Olcay Miyanyedi von der tgbw wertvolle Impulse für die Praxis: „Es war eine wichtige Plattform, auf der Betroffene selbst zu Wort kamen und die  Gelegenheit erhielten, mit den richtigen Leuten zu sprechen“.