Rassismus und Angriffe gegen politische Gegner

Beratungsstelle registriert Zunahme von Fällen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Jahr 2021 im Land

LEUCHTLINIE, die Fach- und Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Baden-Württemberg, registrierte im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr 25 Prozent mehr Vorfälle und 30 Prozent mehr Gewalttaten. Als Hauptzielgruppe der Täter*innen wurden dabei zum ersten Mal politische Gegner*innen identifiziert.

Die Beratungsstelle LEUCHTLINIE, die von der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg e.V. (tgbw) getragen wird, ging im Jahr 2021 insgesamt 202 neuen Vorfällen nach (2020: 160). Von diesen Vorfällen wurden 131 als Gewalttaten eingestuft (2020: 100). Von diesen 131 Gewalttaten waren 68 eindeutig rechtsextremistisch, rassistisch oder antisemitisch motiviert. Bei den Gewaltstraftaten insgesamt handelte es sich nach Angaben der Beratungsstelle um 85 Körperverletzungen, eine Tötung, acht Brandstiftungen, zwei massive Sachbeschädigungen, 19 Bedrohungen sowie 16 sonstige und Gewalttaten mit unklarem Tatbestand. Zum ersten Mal nahm das Hauptmotiv „Angriffe gegen politische Gegner*innen“ den ersten Platz bei der Auswertung ein. Dieses Motiv trifft auf 34 Gewalttaten in Baden-Württemberg zu.

Rassismus als häufiges Tatmotiv

Gleichwohl blieb auch 2021 Rassismus eines der Hauptmotive für die Gewalttaten, konstatiert die Fachstelle mit Sitz in Stuttgart und Freiburg. So finden sich in ihrer Statistik als Tatmotive unterschiedliche Formen von Rassismus (27 Gewalttaten). Antischwarzer Rassismus galt dabei als Grund für zwölf Gewalttaten, antimuslimischer Rassismus als Motiv für acht Angriffe. Rechte Gewalt fand in Baden-Württemberg auch aufgrund weiterer Motive statt, wie etwa Sozialdarwinismus/Ableismus (3 Gewalttaten), Antisemitismus (3), Antiziganismus (1) und in 19 Fällen aufgrund von weiteren Haltungen von gruppenbezogener Menschfeindlichkeit. Außerdem richtete sich die Gewalt gegen Menschen, die sich als „Nicht-Rechte/Alternative“ (8) bezeichnen, gegen Journalist*innen (4) oder Menschen, die als LSBTIQ* identifiziert wurden (1). Bei 40 der 131 Vorfälle identifizierte LEUCHTLINIE unterschiedliche Ansichten zur Corona-Pandemie als (mit-) tatmotivierend.

Orte der Angriffe

Auffällig ist: Im Jahr 2021 fanden rechts motivierte Gewalttaten deutlich häufiger in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Haltestellen statt – ein Anstieg von 100 Prozent gegenüber 2020. Die registrierten 40 Gewaltvorfälle mit Corona-Bezug ereigneten sich in öffentlichen Verkehrsmitteln, Bahnhöfen oder Haltestellen (12), am Arbeitsplatz (10), in Einkaufsmärkten (9), bei Demonstrationen (4), in Gastronomie, Freizeiteinrichtungen und restlichem öffentlichen Raum (5).

Männer und Frauen gleichermaßen betroffen von rechter Gewalt

Insgesamt 124 Menschen wurden von LEUCHTLINIE 2021 beraten – ein Anstieg um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Unter den Beratenen waren 59 männlich und 52 weiblich. Letzteres ein leichter Anstieg gegenüber 2020. Bei 13 Beratenen gab es keine Geschlechtsangabe. Die Anliegen der Betroffenen waren nach Angaben der Hilfseinrichtung sehr unterschiedlich, in der Regel aber geprägt vom Wunsch, das Geschehene psychisch besser verarbeiten zu können und der Suche nach konkreter Unterstützung und Begleitung. Durch die Corona-Pandemie spielte das Thema Online-Beratung eine größere Rolle als dies bisher der Fall war. So wurden Präsenzberatungen verstärkt durch Video-Beratungen ergänzt bzw. ersetzt, was für viele Beratungsnehmende einen Zugang zur Beratung erst ermöglicht hat.

LEUCHTLINIE betont in ihrer Arbeit die Bedeutung der Perspektive der Betroffenen, besonders, wenn Polizei und Justiz die Gewalttaten nicht als rechtsextremistisch, rassistisch oder antisemitisch motiviert anerkennen.


LEUCHTLINIE

LEUCHTLINIE ist die Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Baden-Württemberg. LEUCHTLINIE wird getragen von der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg e.V. (tgbw) und ist eine Fachstelle des Demokratiezentrums Baden-Württemberg. Das Demokratiezentrum wird gefördert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg aus Landesmitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat, und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.